Verabschiedung von Verbandstrainer „Charly" Lehmann
[17.12.2004]

Bericht: Michael Rappe
Ein Glücksfall für den Verband und immer für eine Überraschung gut

Eigentlich kann man sich die Nachwuchsarbeit in Baden und im ganzen DTTB ohne ihn gar nicht vorstellen. Seit fast 40 Jahren hat Karl Lehmann, den alle Welt nur „Charly" nennt, Talente entdeckt, trainiert und geformt. Er gilt als einer der besten Techniktrainer überhaupt, und er hat dieses legendäre Auge für Talente. Nun geht er offiziell in Rente, doch ein aktiver Mensch wie er hört natürlich nicht ganz auf. Auch weiterhin wird er der ARGE Baden-Württemberg und dem DTTB beim Talentprogramm helfen. Am 12. Dezember feierte er seinen 65. Geburtstag, zwei Tage danach ehrte ihn der BTTV mit einer Feier in der Sportschule Schöneck. „Seinem Wohnzimmer", wie es Horst Haferkamp für die ARGE Baden-Württemberg treffend formulierte. Viele Weggefährten waren gekommen, Trainer, Funktionäre und Spieler; stellvertretend seien Ehrenpräsident Hans Adler, Volker Stark (Sportschule Ruit), Werner Kraft (Sportschulenleiter Schöneck), Werner Laber oder Lehmanns Nachfolger Liu Liping genannt. Charly Lehmann freute sich sichtlich darüber.


BTTV-Präsident Klaus Hilpp nannte einige Meilensteine in der langen Karriere von Lehmann. Noch unter Präsident Adolf Werhan trat er am 1. Mai 1970 als Honorartrainer in die Dienste des Verbandes, zunächst für fünf Stunden. 1978 wurde ein Halbtagsjob daraus, und ab 1985 war er ganz für den Verband da. „Er war ein absoluter Glücksfall für uns", würdigte Hilpp die herausragenden Fähigkeiten des Trainers. „Er war immer positiv eingestellt, und er war ein Mann der Tat, der stets eigene Ideen hatte und sich zu helfen wusste." Hilpp erzählte in diesem Zusammenhang die Anekdote, als ein Tischtennis-Roboter angeschafft wurde, aber ein Auffangnetz fehlte. Lehmann bastelte dieses selbst aus Draht für Hasenkäfige. Die Liste seiner erfolgreichen Schützlinge ist lang. Der erste war 1972 Steffen Engel aus Käfertal als deutscher Vizemeister der Schüler. Und es ging so weiter. „Einmal sind wir mit sechs Teilnehmern zur DM nach Saarbrücken gefahren, und das kleine Baden hat fünf Titel geholt", erinnert sich Lehmann nicht ohne Stolz. Weitere Namen sind Nicole Heeß, Maren Pompe, Silke Weyhersmüller, Ralf Neumaier, Benny Gerold, Sandra Stroezel, Axel Koch und Dominik Martus, ohne dass diese Liste einen Anspruch auf Vollständigkeit hätte. Der jüngste Erfolg ist wohl Alexander Krieger, der auch unter den Gästen bei der Verabschiedung weilte. Er wäre beinahe nicht in den Landeskader gekommen. Lehrwart Martin Süß hielt damals nicht viel von dem Ketscher, doch Lehmann setzte sich durch. „Ich habe eine halbe Stunde mit ihm trainiert, und da wusste ich, dass er ein großes Talent ist. Ich habe gesagt: Der bleibt".
Heute ist er Jugend-Europameister, Zweitliga-Spieler und Bronzemedaillengewinner bei der Jugend-WM mit der Mannschaft. Dass aus jungen Talenten auch erwachsene Männer werden, die ihr Aussehen verändern, musste Lehmann an diesem gelungenen Abend auch erfahren. Er erkannte nämlich Benny Gerold nicht.
Doch wie kam Charly Lehmann eigentlich zum Tischtennis? 1954/55 kam er beim Karlsruher TV mit Tischtennis in Kontakt, dem Verein, dem er bis heute treu geblieben ist. Obwohl er beim KSC auch zum Handball- und Basketballprobetraining eingeladen wurde, entschied er sich für Tischtennis. Als Spieler schaffte er es für ein Jahr in die 2. Liga. Nach einem Sport- und Geographiestudium war er Lehrer auf einem Wirtschaftsgymnasium. Seit 1966 hat er keinen Lehrgang im DTTB ausgelassen. „Ich habe sie alle im Training gehabt, Timo Boll, Christian Süß usw.", sagt Lehmann. Sein größter Wurf war wohl Steffen Fetzner, wie auch Schüler-Bundestrainer Ronald Raue bestätigt. „Charly ist am längsten von allen dabei, alle Talente der letzten Jahrzehnte sind durch seine Hände gegangen", erzählt Raue beim Kurzinterview aus dem fernen Portugal. „Seine besondere Fähigkeit war die Technikschulung, sei es die Beinarbeit oder die Grundschläge," sagt Raue und freut sich, dass Lehmann noch ein bisschen weiter macht.
Lehmann selbst wünschte sich bei seinen Abschiedsworten ein bisschen mehr Gespräche untereinander. „Ein direktes Gespräch hilft mehr als viele Anträge", meinte er. Er bedankte sich beim Hausherren der Sportschule Schöneck, die viele Dinge sozusagen auf dem kurzen Dienstweg in Ordnung gebracht hätten, seien es fehlende Jalousien in der Halle, ein fehlender Raum für die Tischtennistische oder kaputte Böden gewesen. Seitens der heutigen Talente und deren Eltern fordert er ein bisschen mehr Trainingsfleiß und Engagement. „Wir haben doch hier in Baden ideale Bedingungen, und da ist manchen der Weg zum Stützpunkt in St. Ilgen oder Weinheim zu weit. Das kann ich nicht verstehen", meinte Lehmann. In Ländern wie Niedersachsen müssten Hunderte von Kilometern dafür zurückgelegt werden. Und den Vereinen rief er in Erinnerung, dass „das Verbandstraining nicht das Vereinstraining ersetzt."
Dass Charly Lehmann immer auch ein Mann mit eigenen Ideen und einem eigenen Kopf gewesen ist, bewies er zum Schluss seines kleinen Rückblickes. Er überraschte alle Anwesenden mit folgender Aussage: „Nun, ich habe heute Vormittag geheiratet, das war gerade so praktisch heute", meinte er trocken. Seine Frau Zdenka strahlte dazu, und Riesenjubel und Beifall der Gäste war dem Hochzeitspaar gewiss. Der Tischtennissport bräuchte mehr Menschen wie Charly Lehmann.