Einmal die Jugend, einmal Routine: Elisa Nguyen und Torben Wosik heißen die neuen baden-württembergischen Meister
Von Thomas Holzapfel
Es ist keineswegs übertrieben, die diesjährigen Baden-Württembergischen Meisterschaften der Erwachsenen als „Tischtennisfest“ zu bezeichnen. Eine gelungene Organisation und ein reibungsloser Turnierablauf, ein angenehmes Ambiente und nicht zuletzt hochklassiger Tischtennissport kennzeichneten die diesjährigen Titelkämpfe in Albstadt-Ebingen, die mit der 15-jährigen Bao Chau Elisa Nguyen und dem 51-jährigen Torben Wosik zwei Akteure ganz oben auf dem Podest sahen, die die ganze Bandbreite des Tischtennissports repräsentieren.
Sonntag, 17:45 Uhr – soeben hat Florian Bluhm den Ball ins Netz bugsiert. Sein Endspielgegner Torben Wosik fällt erst auf die Knie, dann bäuchlings auf den Boden. Vor Erschöpfung, aber wohl auch vor Erleichterung. Und mit dem Wissen, es noch einmal allen gezeigt zu haben. „Turbo“ Wosik, Vize-Einzeleuropameister 2003 und zweifacher Deutscher Meister 1999 und 2008, gewann ein sehenswertes und hochklassiges Endspiel gegen Vorjahressieger Florian Bluhm mit 11:9, 6:11, 11:6, 9:11 und 11:6. „Ich bin mega happy und auch stolz, dass ich das jetzt geschafft habe, mein Puls war bei diesen langen Ballwechseln gefühlt bei 200“, meinte ein sichtlich geschaffter Sieger nach dem kräfteraubenden Turnier. Am Montagvormittag machte Wosik aus seiner physischen Verfassung kein Geheimnis: „Mir geht’s körperlich schlecht, mir zieht’s komplett ins Bein, auch mein Knie schmerzt.“ Aber über allem stehe die DM-Teilnahme im Juni. „Mich dafür zu qualifizieren, war mein erklärtes Ziel, das hab ich geschafft und deshalb hatte ich auch ein paar Tränen in den Augen“, sagte Wosik, der am Abend nach dem Turnier erst einmal beschäftigt war, um die 100 Nachrichten auf seinem Handy zu beantworten.
„Wir kennen uns ja recht gut aus dem Training in Böblingen“, sagte Florian Bluhm nach dem Finale, „in den Trainingsmatches verliere ich meistens gegen Torben, im letzten Wettkampfvergleich vor einem Jahr habe ich allerdings gewonnen.“ Die Taktik von Wosik, generell die Bälle weit in die Ecken und zudem mit extremen Winkeln zu spielen, machte dem Abwehrkünstler schwer zu schaffen. „Im vierten Satz bin ich nach Rückstand ja noch einmal zurückgekommen, aber im entscheidenden Fünften erwischte ich leider einen schlechten Start. Letztendlich geht der Sieg von Torben schon in Ordnung“, resümierte der Neckarsulmer, der ebenfalls fest mit der Teilnahme an den TT-Finals rechnet.
Im Halbfinale hatte sich der an Position eins gesetzte Titelverteidiger Florian Bluhm im vereinsinternen Duell gegen Julian Mohr in vier Sätzen durchgesetzt, zuvor gab er keine weiteren Sätze ab. Torben Wosik gewann das Generationenduell gegen Manuel Prohaska glatt mit 11:7, 11:5 und 11:7, in der Vorrunde hatte er beim Fünfsatzerfolg über einen forsch aufspielenden Michael Pfeiffer (TTC Odenheim) eine kritische Phase (3:2 nach 0:2) zu überstehen. Wosik gab zu: „Das Spiel hätte ich nach einem 7:9 im dritten Satz durchaus verlieren können, ich habe mich dann aber von Runde zu Runde gesteigert.“ Das kleine Finale um Platz drei gewann Julian Mohr in vier Sätzen gegen Manuel Prohaska.
Bei den Damen hatten sicherlich die wenigsten die Endspielpaarung Bao Chau Elisa Nguyen (TTV Grün-Weiß Ettlingen) gegen Amelie Fischer (SpVgg Gröningen-Satteldorf) auf dem Zettel, vor allem der Einzug der 18-jährigen Fischer nach einem 11:9, 11:8 und 11:9 im Halbfinale gegen ihre frühere Süßener Teamkameradin Lea Lachenmayer (ESV Weil) überraschte. Dass sich die beiden Stuttgarter Drittligaspielerinnen Nguyen und Schankula auf Augenhöhe begegnen würden, konnte derweil erwartet werden. „Gegen Alex zu gewinnen, war ein schönes Gefühl, da ich die letzten Male immer verloren habe“, meinte die 15-Jährige im Anschluss, „ich habe am Sonntag wirklich sehr gut gespielt.“ Was auch Trainer Jannis Nonnenmann bestätigte: „Natürlich unterliegt das Spiel von Elisa immer noch gewissen Schwankungen, aber heute zeigte ihre Leistungskurve ganz nach oben.“ Im Finale wurde Nguyen ihrer Favoritenrolle gerecht, gewann gegen eine abermals mutig aufspielende Fischer mit 11:7, 8:11, 11:6 und 11:8 und sicherte sich nach dem baden-württembergischen Titel in der Altersklasse 19 nun auch den bei den Damen. Im Spiel um Platz drei hatte Lea Lachenmayer gegen die dreifache Seniorenmeisterin Alexandra Schankula in vier Sätzen die Nase vorn.
Im Einzel Gegner, im Doppel Partner: Eine gewisse mentale Anpassung war bei einigen Formationen notwendig, um den erwünschten Erfolg zu erzielen. Bao Chau Elisa Nguyen und Alexandra Schankula gewannen als eingespieltes Sportbund-Doppel das Endspiel gegen Lea Lachenmayer/Amelie Fischer mit 3:1, nach vier umkämpften Sätzen (12:10, 11:8, 9:11, 11:9) behielten Florian Bluhm/Julian Mohr nicht unverdient über Vladimir Anca/Marcel Neumaier (SU Neckarsulm/TTSF Hohberg) die Oberhand.
Die Entscheidung im Mixed fiel bereits am ersten Tag, wo das an Position eins gesetzte Neckarsulmer Duo Julian Mohr/Kathrin Hessenthaler in vier Sätzen über Alexandra Schankula/Detlef Stickel (DJK Sportbund Stuttgart/TTC Tuttlingen) triumphierte. Stickel mit seinem unnachahmlichen, gefühlvollen Spiel sprang für Gerd Richter in die Bresche, der im Vorjahr noch mit Schankula den Titel holte, sich aber in der Vorwoche bei den Seniorenmeisterschaften verletzte.
Qualitativ gut bestückt waren die Teilnehmerfelder bereits am Qualifikations-Samstag, wenngleich die Turniermacher im Vorfeld durchaus Mühe hatten, das Teilnehmerfeld komplett zu bestücken. „In den letzten 30 Stunden vor dem Turnier sagten zehn Prozent der Spielerinnen und Spieler wegen Krankheit oder Verletzung ab, in der Woche davor waren es 20 Prozent“, monierte Chris Kratzenstein, Referent Erwachsensport in TTBW, der am Samstag die Turnierleitung um Stefan Krumm, TTBW-Beauftragter Einzelsport, verstärkte.
Organisatorisch ging das Turnier an beiden Tagen recht reibungslos über die Bühne und lediglich mit überschaubarer Verspätung zu Ende. Der TTC Tailfingen-Margrethausen, der sich erstmals an ein Turnier dieser Kategorie wagte, erwies sich als tadelloser, zugleich liebevoller Gastgeber. Dabei bewies er nicht nur bei Auf- und Abbau und im Catering mit vier, jeweils aus 22 Personen bestehenden Arbeitsschichten viel Einsatzfreude, sondern auch Flexibilität und Improvisationstalent, als bei einer sonnenreflektierenden Hallenfensterscheibe eine Zeitlang der Sichtschutz in die Höhe gehalten werden musste. Der TTC mit seinen 158 Mitgliedern hat derzeit vier Aktiven- und eine Jugendmannschaft im Einsatz, als jahrelanger Ausrichter von Jedermann- und Weihnachtsturnieren begab man sich nun auf sportlich besonders hochwertiges Terrain. „Alles hat prima geklappt, unsere Gemeinschaft im Verein ist klasse und die Zusammenarbeit mit der Stadt funktionierte sehr gut. Man merkt, dass Albstadt voll hinter dieser Veranstaltung steht“, sagte der Erste Vorsitzende Thomas Schweiger. Wenig zu tun hatte glücklicherweise auch der Bereitschaftsdienst des DRK Ebingen. „Ein paar Spieler versorgten wir mit Kühlpads und ein Zuschauer hat sich beim starken Applaudieren eine Kapselverletzung am Finger zugezogen“, zog ein Mitarbeiter eine eher kuriose Bilanz.
Alles im Griff hatten zudem die Unparteiischen. „Am Samstag hatten wir 22 Schiedsrichter im Einsatz, am Sonntag 20“, sagte Oberschiedsrichter Werner Nüssle, der sich zusätzlich auf die Mitwirkung von Stellvertreterin Simone Holzberger sowie Einsatzleiter Andreas Schenk und Schlägertester Michael Schmolke verlassen konnte.
Als rundum gelungen konnte auch diesmal der Livestreaming-Service über Sportdeutschland.TV bezeichnet werden, den über die beiden langen Turniertage Ute Walkenhorst (SSV Schönmünzach) und Walter Dörling (TSG Eislingen) gewährleisteten. Wieviel Daheimgebliebene letztendlich den Online-Service nutzten, wird vom Dienstanbieter erst in den kommenden Tagen veröffentlicht. „Die Geschäftsstelle freut sich natürlich über das Feedback von außen“, sagte Walter Dörling, der über einen großen Zeitraum die Geschehnisse in der Halle moderierte.
Hier geht es zu den Ergebnissen:
https://www.ttbw.de/turniere/arge/ergebnisse-mktt/?mkttid=dd6a00b0
Bericht: Thomas Holzapfel
Fotos: Volker Arnold